Gesetzentwurf zum «Hehlerschutz» stößt auf wenig Gegenliebe
Archäologen erhöhen Druck gegen die Bundesregierung - bislang ohne Erfolg
von Rudolf Grimm, 27.06.06, 11:04h, aktualisiert 27.06.06, 11:08h
Hamburg/dpa. «Hehlerschutzgesetz» nennen Archäologen verärgert den vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kulturgütern. Mit ihm will die Regierung einem schon seit 1970 bestehenden diesbezüglichen UNESCO-Übereinkommen beitreten. Archäologen erhoben umgehend Einwände - erfolglos, wie es scheint. Der Bundesrat hat dem Entwurf inzwischen mit kleineren Änderungen zugestimmt. Nach der Sommerpause soll er, wie verlautet, dem Bundestag zur Verabschiedung vorgelegt werden.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sagte bei der ersten Lesung zu den Einwänden, man sei nach intensiven Auseinandersetzungen mit vielen Experten «zu dem Schluss gekommen, dass die Kritikpunkte einer genaueren Prüfung nicht standhalten. Denn die kritisierten Sachverhalte werden durch die Umsetzung der UNESCO-Konvention schlicht nicht geregelt. Hier ist Kritik am Gesetzentwurf unangebracht.»
Dagegen kritisierte Michael Müller-Karpe vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz: «Die vom Gesetzentwurf vorgesehenen Rückgaberegelungen für Kulturgüter greifen nicht bei Raubgrabungsfunden. Rückgabe setzt den Herkunftsnachweis voraus. Der gelingt bei Plünderungsgut aus undokumentierten Raubgrabungen in aller Regel nicht.»
Er verwies darauf, dass Artikel 9 der UNESCO-Konvention ausdrücklich Maßnahmen fordere, die verhindern, dass dem kulturellen Erbe der Vertragspartner nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt wird. «Die zur Versorgung des Antikenhandels mit Hehlerware durchgeführten Raubgrabungen zerstören archäologische Stätten, die im Boden enthaltenen Informationen - das kulturelle Gedächtnis der Menschheit. Eben diesen Schaden will die Konvention verhindern.»
Angesichts der Haltung der Bundesregierung, an dem Entwurf nichts ändern zu wollen, werde wohl nur noch Druck einer empörten Öffentlichkeit dieses Hehlerschutzgesetz verhindern können. «Wir werden unsere diesbezüglichen Bemühungen verstärken.»
Worum es hier geht, ist, dass Plünderungsgut aus undokumentierten Raubgrabungen auch künftig völlig frei zu handeln sein würden. Und dass zudem alle Raubgrabungsfunde, die vor Inkrafttreten illegal aus dem Herkunftsland geschafft wurden, unangreifbar reingewaschen werden. «Diese Bestimmungen dienen nicht dem Kulturgüterschutz, sondern fördern Hehlerei und führen zu mehr Raubgrabungen», warnte Müller-Karpe.
Die im vergangen Spätherbst im Irak entführt gewesene deutsche Archäologin Susanne Osthoff argumentierte in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sie wisse aus ihren Recherchen im Irak, dass «Terroristen ihre Anschläge in erheblichem Maße aus dem Verkauf geplünderter Bodenfunde finanzieren». Mit dem geplanten Gesetz «torpediert Deutschland nicht nur den Kulturgüterschutz anderer Länder - es unterminiert auch den weltweiten Kampf gegen den Terror.»
Im Zuge der Initiative deutscher Archäologen für ein generelles Handelsverbot für Hehlerware aus Raubgrabungen wurden bislang annähernd eine halbe Million Protest-Emails von besorgten Bürgern an Abgeordnete des Bundestags geschickt. Aus Gesprächen mit Abgeordneten oder deren Bürochefs wurde bekannt, dass zunehmend auch Schreiben aus der Türkei, Japan und den USA eingehen.
Vor dem Hintergrund der Raubgrabungen im Irak hatte Margarete van Ess, Leiterin der Außenstelle Bagdad des Deutschen Archäologischen Instituts, schon vor einem Jahr in der Zeitschrift «Archäologie in Deutschland» (Stuttgart) eindringlich auf die Notwendigkeit einer Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens durch Deutschland hingewiesen.
Müller-Karpe erläuterte im März/April-Heft 2006 der selben Zeitschrift seinen Vorschlag, die beim Artenschutz bewährte Beweislastumkehr auch für den Schutz archäologischer Stätten vorzusehen. Nur ein generelles Vermarktungsverbot für archäologische Bodenfunde, deren legale Herkunft nicht nachgewiesen ist, könne die durch diesen Handel verursachten Schäden eindämmen. «Angesichts aktueller Meldungen über die systematische Zerstörung archäologischer Stätten im Irak, aber auch in Iran, in Kambodscha, in Peru, in nahezu allen Ländern - auch in Deutschland - durch Raubgrabungen und angesichts der Gewissheit, dass erst die Vermarktungsmöglichkeiten für Plünderungsgut den Anreiz für illegale Grabungen geben, sieht sich Deuschland im Ausland zunehmend in Erklärungsnot», heißt es da.
Die Bebilderung des Berichts zeigt unter anderem eine von Plünderern auf der Suche nach beschrifteten Ziegeln zerstörte Tempelfassade aus dem späten 3. Jahrtausend v.Chr. in Umma (Südirak) und zwei etwa 4000 Jahre alte Tonnägel aus Raubgrabungen im südirakischen Tello.